Wenn etwas geheim ist, dann ist es unseren Blicken entzogen, es ist verschleiert, es ist unbekannt. So sagt ISIS (altägyptische Göttin): Ich bin alles, was gewesen ist und ist, und sein wird, und kein Sterblicher hat meinen Schleier gelüftet.
Religiöses Verschleiern wird zwar heute im Zuge der männlich bestimmten Neuzeit mit dem Warencharakter von Frauen gleichgesetzt, es erinnert aber, da ursprünglich aus Ekstasekulten stammend, gleichzeitig auch an dieses Unbekannte, an das Geheimnis des Lebens. (Die eigene Angst vor dem Unbekannten ist es wohl auch, mit der sich die westliche Gesellschaft durch ganzkörperverschleierte Frauen konfrontiert sieht und deshalb das Verbot des Ganzkörperschleiers in Westeuropa so vehement fordert. Gegen den Warencharakter von Frauen will man indes nichts unternehmen.)
Die Frau – das unbekannte Wesen – die Verkörperung der Großen Göttin, ist gleichzeitig die Verkörperung geheimen Wissens über die Unsterblichkeit. Der Schleier trennt Diesseits von Jenseits. Den Schleier zu lüften, das Dunkle zu durchschreiten, bedeutet, den Weg in die Unsterblichkeit und damit die Befreiung von allem Leiden zu kennen.
Der Tanz mit dem Schleier ist demnach die Demonstration der Herrschaft über das Dunkle, das Unbekannte und damit die Demonstration von Wissen und Auferstehung.
Entsprechend kann Schleiertanz benutzt werden, um den Zuschauer durch die trance-induzierenden Reize dieses Tanzes in einen anderen Bewusstseinsbereich zu ziehen, der wie im Traum den Alltag verschwinden lässt und inneres Sehen begünstigt. Schleiertanz, wenn er gut gemacht ist, begünstigt schlicht und ergreifend Hellsehen - für den, der dazu veranlagt ist.
Schleier, Grenze, Nebel, Schatten, Schwelle, Zaun etc. Alles Worte für das Ende, den Tod, das Hindernis, den Abgrund und den Übergang – zwischen zwei Bereichen. Hagazussa – die Zaunreiterin – die Hexe kennt beide Bereiche. Die Hexe und die Göttin sind beides Begriffe für das Wissen und die Macht der Frauen. Der Schleier ist Attribut des Weiblichen und Schleiertanz ist für den Eingeweihten Mittel zum Hellsehen. Im griechischen Schöpfungsmythos tanzt die Göttin wild in der Finsternis bis sich ein Nebel, Schleier, Wind (Melodie! / Gedanke!) hinter ihr erhebt. Es ist 'Ophion', die große Schlange. Sie ergreift die große Schlange, die sich mit ihr paart, sie wird schwanger und gebiert das Licht.
Die Tage werden kürzer. Die Schatten werden länger, Nebel kommt auf. Mabon liegt hinter uns und Samhain steht bevor. Auf den Herbst einstimmen, die 'Nebel von Avalon' durchschreiten und der Göttin begegnen. Was liegt näher als das dunkle Geheimnis zu feiern mit magisch, mystischen Schleiertänzen.
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