Erst
einmal ein dickes Lob für die Autorin, dass sie ihre LeserInnen dazu
bringen will, ein Bewusstsein ihrer eigenen Frustrationen zu bekommen
und davon abzulassen, ihre eigenen negativen Energien nach außen zu
projizieren. Das ist schon allein 5 Sterne wert, denn
schlimmstenfalls trifft soetwas die Sündenböcke der Gesellschaft.
Dabei bleibt sie jedoch nicht. Sie will darüber hinaus ihre
LeserInnen zum Glücklichsein annimieren. 'Annimieren' ist genau das
richtige Wort. Denn sie bietet uns ein komplettes Programm, sozusagen
ein Rundum-Sorglos-Paket zum Mitmachen und eigene Erfahrungen
sammeln. Als ehemalige PR-Frau geht sie sehr pragmatisch vor und
präsentiert uns eine
Fitness-Meditations-Selbsterkenntnis-Kombination, die von ihr auf
jedes Problem extra abgestimmt wurde und praktikabel sein soll, wenn
man sich genau an die Ausführung hält. Dabei greift sie ganz tief
in die Selbsterfahrungs-Trickkiste der Esoteriker der letzten
Jahrzehnte. Von Eckard Tolle bis Shakti Gawain. Ihre Lieblingsquelle
ist jedoch 'Ein Kurs in Wundern' der US-Foundation for Inner Peace
und der Psychologin Helen Shucman.
Ihre
Zielgruppe ist die von Informationen überflutete und vom burnout
bedrohte Generation des 'schneller-höher-weiter-besser and the
winner takes all' – Prinzips, deren Perspektive sie von
Oberflächlichkeiten weg ins eigene Innere lenken will.
Und
hier ist sie, die Instant-Formel, die dein Leben umkrempeln soll: Man
nehme positive Affirmation, körperliche Aktivität, Meditation
und intuitives Schreiben und wende diese Formel jeden Tag
mindestens 30 Tage hintereinander an, dann verschwindet das
Problem.
Ihrer
Aussage zufolge hätte sie damit ihre eigene Suchtkrankheit in den
Griff bekommen.
Wenn
man beispielsweise verzweifelt ist, benutze man eine positive
Affirmation wie z.B.: „Mir geht es großartig“ und eine
körperliche Aktivität, z.B. Seilspringen. Man hüpfe also über das
Seil und rezitiere innerlich unablässig wie ein Mantra den Satz „Mir
geht es großartig“. Durch Konzentration auf das Mantra beim
Seilspringen wird der Mensch für die Dauer der sportlichen Aktivität
erst einmal von seiner Verzweiflung im Sinne einer Autosuggestion
befreit. Anschließend mache man eine geführte Meditation (Anleitung
im Buch und auf der Webseite der Autorin), dadurch kommt man zur
Ruhe, weil man sich auf Einatmen und Ausatmen im Hier und Jetzt
konzentriert und den Anweisungen der Autorin folgt. Anschließend
nehme man sich Papier und Bleistift und schreibe zum Zwecke der
Selbstreflexion alle Gedanken, die einem ohne langes Nachdenken
einfallen, nieder. So weit so gut. Das wirkt für den Anfang auf
jeden Fall. Damit das nachhaltig wirkt, muss es jeden Tag 30 Tage
lang wiederholt werden. In dieser Zeit sollte man seinem Problem 'auf
die Sprünge' gekommen sein und es sollte sich eine Veränderung der
Situation einstellen, die zu dem Problem geführt hat. Soweit das
Heilsversprechen.
Wie
sieht das in der Praxis aus? Ich hätte Schwierigkeiten 30 Tage 'am
Ball' zu bleiben. Sobald meine Verzweiflung verschwunden wäre, würde
ich damit aufhören und erst wieder damit anfangen, wenn das Problem
wieder auftritt. Und das ist auch der Punkt. Sie will, dass sich die
Menschen von Grund auf ändern und ich will so bleiben wie ich bin.
Vielleicht, weil ich ohnehin mit mir zufrieden bin. Deshalb ist das
Buch meiner Meinung nach nur etwas für Menschen, die sich selbst
nicht leiden können. Das belegt auch ihr Verständnis vom „Ego“
als etwas Schlechtes, als 'Angstgedanke', während demgegenüber die
'Intuition' in ihrem Verständnis als das Gute, was es sicher auch
ist, hervorgehoben wird. Mich stört hierbei aber das Verhaftetsein
im Dualismus. Menschen, die sich selbst nicht leiden können, haben
mit dem Buch die Chance, sich selbst wieder zu mögen, weil sie sich
möglichst vollständig auf ihre 'Intuition' bzw. 'innere Führung',
auf 'das Gute' fokussieren. Was aber, wenn ihnen diese 'Intution'
vorübergehend abhanden kommt? Dann müssen sie wie ein Junkie erneut
schnell wieder zu ihrer Instant-Formel für das Glücklichsein
greifen, sonst können sie nicht weiterleben. Das Ergebnis ist der
Zwang zum Glücklichsein.
Lachen
und Weinen gehören aber beide zum Leben dazu. Warum soll man eine
Stimmung wie Verzweiflung nicht einfach einmal aushalten und als zu
einem selbst gehörend anerkennen? Und sich selbst nicht auch einmal
als verzweifelter Mensch annehmen und lieben? Meist löst sich diese
Stimmung dann von ganz allein auf. Das ist meine Erfahrung!
In
jedem Fall haben AnfängerInnen auf dem Gebiet der Esoterik mit der
Bernstein Methode die Möglichkeit, dem Leben eine neue Richtung zu
geben.
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