Rezension: Das Feuer von innen
Der Autor hat
mehrere Bücher über seine Zeit als Zauberlehrling bei einem Yaqui
Indianer geschrieben. Diese Bücher werden oft als Lehre, im Sinne
einer Philosophie verstanden. Anhand des vorliegenden Buches wird das
Fiktionale der Erzählung daran erkennbar, dass der Autor Zustände
„gesteigerter Bewusstheit“ beschreibt, von denen er gleichzeitig
berichtet, dass er sich an diese eigentlich gar nicht hätte erinnern
können, um sie aufzuschreiben. Allein dieses Paradoxon führt
bereits auf die Fährte der Fiktion.
Handelt es sich um
Fiktion, ist der Leser aufgefordert, zwischen den Zeilen zu lesen, um
eine tiefer liegende Wahrheit herauszufinden. Diese autobiographische
Erzählung ist demnach nicht wörtlich zu nehmen, was jedoch viele
Leser tun und was durch die Sprachkomposition der Erzählung
beabsichtigt wird. Es soll vorgekommen sein, dass sich Leser in den
80igern auf La Gomera nach der Lektüre von Castanedas Büchern in
der Annahme, frei und unsterblich zu sein, von den Klippen gestürzt
haben.
Worum geht es?
Der Autor beschreibt
hauptsächlich eine dem rationalen Denken und dem Alltagsbewusstsein
entgegengesetzte Wirklichkeit, die nicht einfach mit der Gefühlswelt
identisch ist sondern darüber hinaus existentielle Wahrheiten des
Menschen wie Leben, Tod, Geburt, Traum, Macht, Konkurrenz, Sex,
Feindschaft etc. umfasst. Kurz alles, was das Leben ausmacht und
womit jeder rechnen muss. Worauf es ankäme, ist die Orientierung im
Drama des Daseins zu bewahren oder zu erlangen und mit der eigenen
Energie haushalten zu lernen. Hierbei hilft die Erweiterung des
Bewusstseins. In dieser Kunst wird der Autor vom Yaqui Schamanen Don
Juan unterwiesen und der Leser erfährt auf 287 Seiten, wie es dem
Autor dabei ergangen ist.
So erhält der Autor
Unterweisungen für die „linke“ und „rechte“ Seite. Die auf
den Intellekt abzielenden Erklärungen des Schamanen sind für die
„rechte Seite“ gedacht. Der Leser kann der Lektüre entnehmen,
dass während der Dauer der Lehrzeit das Weltbild des Autors
allmählich zerstört oder in Einzelteile zerlegt wurde und wieder
neu zu einem andersartigen Weltbild zusammengesetzt wurde. Bei den
Unterweisungen für die „rechte Seite“ ist daher viel über den
„Montagepunkt“ und „Bewusstsein“ nach indianischen
Vorstellungen die Rede, wie z.B. „Glut der Bewusstheit“,
„Emanationen der Bewusstheit“. Es wird vom „Adler“ erzählt,
der das Bewusstsein zum Zeitpunkt der Empfängnis verleiht und zum
Zeitpunkt des Todes wieder verschlingt. Ein Krieger müsse „sehen“
lernen, um dem „Adler“ zu entgehen. Die Rede ist von „alten und
neuen Sehern“, vom „Verbündeten“, den man besiegen müsse und
noch anderes mehr.
Die allmähliche
Zerstörung des Weltbilds durch die Unterweisungen für die „linke“
und „rechte“ Seite geht nicht ohne erhebliche hysterische Anfälle
des Autors vonstatten. Was durchaus verständlich ist.
Die Unterweisungen
für die „linke Seite“ beinhalten hauptsächlich die im Zustand
der „gesteigerten Bewusstheit“ ablaufenden Ereignisse, die aber,
wie vom Autor gesagt, der Erinnerung unzugänglich bleiben.
Genau genommen ist
mit dem Begriff „linke Seite“ daher das Unterbewusstsein gemeint.
Und der Autor befand sich bei den Unterweisungen für die „linke
Seite“ nicht in einem Zustand „gesteigerten Bewusstseins“
sondern in Trance oder in einem hypnotischen Zustand und hatte
dementsprechende Absenzen.
Die benutzte Sprache
ist aber entscheidend für die Suggestivkraft der Fiktion. Wenn der
Autor diese Dinge beim richtigen Namen genannt hätte, wäre der
mystifizierende Effekt verloren gegangen, der den Leser gefangen
nehmen soll.
Zuletzt erfährt
man, dass der indianische Schamane vom „inneren Feuer“ ausgefüllt
wird und wie vom Winde verweht in die Unendlichkeit verschwindet, und
dass der Autor „in den Abgrund springt“.
Beides sind
natürlich Metaphern, da es sich, wie wir gesehen haben, um Fiktion
handelt. Das erste ist eine Metapher für Erleuchtung - von
buddhistischen Mönchen seit Jahrtausenden angestrebt – und das
andere ist eine Metapher für die Überwindung von Angst.
Der Autor spielt in
genialer Weise mit der alten Sehnsucht des Menschen nach Wissen und
Unsterblichkeit. Simple Gemüter seien jedoch gewarnt, die Erzählung
wörtlich zu nehmen, denn das kann aufgrund der mystifizierenden
Sprache durchaus gefährlich werden.
Ein Buch über die
'andere Wirklichkeit', das ohne mystifizierende Sprache auskommt, ist
mein eBook „Hexenmondin“
(epub,
mobi).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen